Eiweiß für Muskelaufbau?

Eiweiß für Muskelaufbau?

Das gute alte, pardon neue, Eiweiß

Eiweiß für Muskelaufbau

Eiweiß ist heutzutage in aller Munde…Nein fangen wir anders an: Wenn wir Menschen etwas Neues beginnen, sagen wir mal eine Sportart, dann rüsten wir uns in der Regel mit etwas aus. Wer mit Judo anfängt kauft sich einen Judoanzug, wer mit Yoga anfängt holt sich eine Yogamatte und der Bogenschütze kauft sich einen Bogen. Was macht der Fitnesssportler, einer der Muskeln aufbauen möchte? Noch vor einigen Jahren kaufte er sich ein paar Hanteln. Heute ist die Mitgliedschaft in einem Fitnessclub für jeden bezahlbar und Hanteln gibt es dort zu genüge. Also kauft man sich das aller Heiligste: eine riesige, stylisch gestaltete Dose, den heiligen Gral, wenn man so will. Darin befindet sich ein weißes, magisches Pulver. Isst man es, so wird aus einem von Muskeln träumenden Mann, ein muskulöser Traummann und aus einem Mauerblümchen eine Powerfrau. So oder so ähnlich sind zumindest die vielen Versprechen der Hersteller dieses Pulvers. Und nun? Nun ist Eiweiß in aller Munde…

Doch wo Licht ist, ist auch Schatten und langsam fragen sich immer mehr Forscher und auch ambitionierte Sportler, ist denn Eiweiß wirklich so gesund? Und siehe da, der Traum fängt an zu zerplatzen und man merkt, dass es sich womöglich um einen Alptraum handelt. Gestiegene Leberwerte, Nierenschäden, Störung des Säure-Basen Haushaltes, erhöhtes Krebsrisiko…so beschreibt man sicher nicht die Wirkungsweise eines Wundermittels. Doch genau das lesen wir mittlerweile von zu hohem Eiweißkonsum.

 

Kann zu viel Eiweiß schädlich sein?

Ein zu hoher Eiweißkonsum, das ist das Stichwort. Denn Eiweiß ist ein Wundermittel. Eiweiß ist ein Baustoff und zwar nicht nur von Muskeln. Es ist die Grundsubstanz von allen Zellen und Flüssigkeiten im Körper. Zu seinen Aufgaben zählt der Aufbau von Enzymen, Hormonen und Antikörpern, Nährstofftransport (Lipoproteine) und Sauerstofftransport (z.B. Hämoglobin). Eiweiß erfüllt eine ganze Menge wichtiger Funktionen und doch macht hier wie immer die Dosis das Gift aus. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfehlt lediglich 10-15 % der Gesamtenergie, die wir zum Leben brauchen durch Eiweiß zu decken. Das entspricht 0.8g pro Kilogramm bei einem erwachsenen Menschen. Im Klartext: wiegt man 80kg so sollte man täglich ca. 64g Eiweiß essen! Weiterhin sollte man laut DGE nur ein Drittel des Proteinbedarfs durch tierisches Eiweiß decken, also lediglich 5% (weil wir zusammen mit tierischem Eiweiß, auch unerwünschte Stoffe zu uns nehmen wie Purine, gesättigte Fettsäuren und Cholesterin)! Also sollte laut DGE jemand der 80kg wiegt nur etwa 21g tierisches Eiweiß zu sich nehmen. Ein Glas Mich, eine Scheibe Käse, eine Scheibe Wurst und wir haben den Anteil an tierischem Eiweiß gedeckt! Dazu noch 100g Steak und wir haben die doppelte Menge der Empfehlung der DGE.

Ich brauche nicht weiter zu rechnen, um zu zeigen, dass wir zumindest laut der DGE allein schon durch unsere normale Ernährungsweise zu viel Eiweiß konsumieren. Und so wundert es nicht, dass die DGE selbst sehr ambitionierten Breitensportlern, die sich normal ernähren, kein zusätzliches Eiweiß empfehlen (Ernährungsumschau 12/2017). Also ade Quark, literweise Milch und Eiweißshakes?

Nun wenn es dem Leser schmeckt ist alles ok, aber es hat den Anschein, als ob wir selbst wenn wir ambitionierte Sportler sind bei einer normalen Ernährungsweise keinerlei zusätzliches Eiweiß brauchen! Weder unseren Quark noch den teuren Eiweißshake.

Stichwort Eiweißshake. Wenn die Empfehlungen der DGE den Leser nicht überzeugen und du meinst du brauchst dein Eiweiß dann solltest du nur zu hochwertigen Shakes greifen. Nimm deinen „heiligen Gral“ in die Hand, finde die Zutatenliste und googel dort jede der Zutaten. Außer dem Eiweiß findest du dort vermutlich sehr viel Chemie: Emulgatoren, Geschmacksverstärker, undefinierbare Aromen. Je kürzer die Zutatenliste ist, desto besser für deinen Körper, dem du die Belastung dieses Zeug wieder auszuscheiden sparst. Weiterhin solltest du auf Verunreinigungen achten. Mittlerweile findest du Listen im Internet, welche Produkte da relativ sicher sind.

 

Wie viel Eiweiß brauch ich für mein Training?

Zurück zum Thema, was sagt denn die Praxis zum Eiweißwahn? Fakt ist, dass heutzutage jeder Kraftsportler zusätzliches Eiweiß nimmt. Man hat Angst davor, dass durch das harte Training der Körper die Energie aus dem Eiweiß nimmt und es so zum Verlust der Muskelmasse kommt. Sicher ist da was dran. Denn Kohlenhydrate und Fette sind zwar unsere Energielieferanten, sind jedoch auch für das Hüftgold verantwortlich, während Eiweiß ein Baustoff ist und zwar einer aus dem Muskeln gemeißelt werden. Doch Hand aufs Herz, sind Kraftsportler so gesund (Und in diesem Artikel geht es um den gesundheitlichen Aspekt, nicht um die Effektivität von hohen Eiweißverzehr)? Sind die Methoden der Profisportler auf kurzfristige Leistungssteigerung oder auf langfristige Gesundheit ausgelegt? Diese Frage soll jeder für sich selbst beantworten.

Doch wenn wir von Profisportlern reden, möchte ich abschließend einen aus dieser Zunft Zitieren. Jürgen Stickelbrock schrieb vor Jahren sein Buch „Bodybuilding und Fitness- einfach mit Humor und Verstand“. Er sagt sinngemäß etwa folgendes: Muskeln bestehen zu etwa ¾ aus Wasser, der Rest ist größtenteils Protein. In einem Jahr will man nun 5kg an Muskelmasse zulegen, das wären von 5000g, etwa 3750g Wasser und 1250g Protein. Teilen wir 1250 durch 365 ergibt sich ein Zusatzbedarf von 3,4g pro Tag. Das kriegt man hin ohne sich zu mästen. Weiterhin sagt er, ja man benötigt genügend Baustoffe um etwas zu bauen, aber wenn man drei Mal so viele Steine zur Baustelle bringt, liegen die nur rum und behindern die Arbeiter. Vielen Dank für deine Weisheit Jürgen!

Eines möchte ich noch loswerden. Wir leben momentan in einer Zeit wo es am Essen nicht mangelt, zumindest in den Industriestaaten. Früher, noch zur Zeit meiner Großeltern war das nicht der Fall. Wenn jemand riesige Mengen an Eiweiß empfiehlt, sollte er bedenken, dass noch nie in der bekannten Geschichte der Menschheit je solche Mengen an diesem durchaus wichtigen Baustein, verzehrt wurden. So können wir nicht mit Sicherheit sagen wie gesund oder ungesund diese Mengen an Eiweiß, die wir Freizeitsportler zu uns nehmen, tatsächlich sind. Die Forschung steckt da in den Kinderschuhen denn die Generation Eiweiß-Shake ist noch sehr jung…

Ich hoffe, dass man durch diesen Beitrag nun eine vorsichtigere Sicht auf Eiweißpräparate hat und ich das Interesse für ein gesundes Training ohne viel Schnick-Schnack wecken konnte.

Wer mehr von mir lesen möchte kann hier meine vorangeganen Beiträge lesen, die sich unter anderem mit den Themen Dehnen oder Krafttraining beschäftigen.

Mehr zum ausgewogenen Training könnt ihr in meinem Buch Isometrisches Krafttraining, erschienen beim Meyer & Meyer Verlag, lesen. Hier gebe ich eine ausführliche Einführung in das Thema Dehnen und isometrisches Krafttraining und gebe viele Praxistipps und Übungsvorschläge. Ihr findet es auch hier im Shop.

Mit sportlichen Grüßen

Euer Artjom Maier

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